Zierleiste v01
00579 Filetdecke Katharina Kleebach
Filigrane Filetdecke, handgefertigt in Reifenberg von
Katharina Kärtner geb. Kleebach (1866 - 1955)
[Archiv Geschichtsverein Reifenberg]

Dr. Friedrich Adolf Scharff (1812 - 1881), ein Frankfurter Jurist, Mineraloge und an­ge­se­he­ner Historiker, gründete 1852 ein Hilfs­komitee, um gemeinsam mit wohlhabenden Frank­furter Bürgern den Mitte des 19. Jahr­hun­derts durch Missernten und Arbeits­lo­sig­keit verarmten Feld­bergdörfern unter die Arme zu greifen. Seine Frau starb 1853. Im gleichen Jahr sorgte er noch dafür, dass die junge Lehrerin, namens Emilie Seipp, in Nie­der­rei­fenberg Be­woh­nern der umliegenden Dörfer das so­ge­nannte "Filet­stricken" lehrte. Unter Ver­wen­dung von Seiden- und Baumwollgarnen wur­den Handschuhe, Decken aller Art, Kissen­be­züge und sogar Haar­netze angefertigt. Hierfür waren spezielle Filiernadeln sowie lap­pen­über­zo­genen Filetsteine notwendig.

Für die damalige Bevölkerung tat sich plötzlich ein völlig neuer, lohnender Er­werbs­zweig auf, aus dem sich im Laufe der Zeit eine regelrechte Heimarbeit­in­dustrie entwickelte, die selbst 100 Jahre später noch als Erwerbsquelle diente.

Emilie Seipp wurde im Jahr 1827 geboren. Sie war eine junge Lehrerin, die eine höhere Bürger­schule in Frankfurt besucht hatte. Sie wurde als "einfaches, ordentliches und rein­liches Mäd­chen" be­schrie­ben. In Niederreifenberg arbeitete sie 1853 zwar nur von April bis August, dennoch hatte ihre Tätigkeit einen enorm positiven Einfluss auf die Verbesserung der finanziellen Situ­ation vieler Familien in Reifenberg, Ar­nolds­hain und Schmitten. Der Unterricht fand im Haus von Johann Brück, heute Hauptstraße 20, statt. Sie selbst lebte im Haus des Baders Josef Hammer II, heute Hauptstraße 28.

Viel zu jung verstarb Emilie Seipp im Alter von nur 37 Jahren.

Am 3. Oktober 1870 wurde ihr zu Ehren vom Hilfskomitee um Dr. Scharff in den Brunhildisfelsen auf dem Großen Feldberg eine gusseiserne Gedenktafel eingelassen, auf der zu lesen stand:

„Emilie Seipp. Die Freundin und Lehrerin der Armen in den Feldbergorten 1853“.

Die Tafel wurde jedoch scheinbar durch die raue Wit­terung auf dem Feldberg relativ schnell wieder zerstört oder zerbrach.


Das Haus unterhalb der Kirche in der Bildmitte trug in den
1930er
Jahren noch die gut sichtbare Tafel rechts neben
dem Eingang. [S. Eckermann]

Um weiterhin ein sichtbares Zeichen zu Emilie Seipps Ehren und Gedenken zu hinterlassen, wurde am 15. Mai 1890 feierlich am Haus des Baders Josef Hammer II eine zweite Gedenktafel aus Marmor durch den "Taunusklub Stammklub Frankfurt" angebracht. Die Festrede damals hielt deren Vorsitzender, Peter Kittel, vor der versammelten Gemeinde. Empfangen wurde die Frankfurter Dele­gation am "Roten Kreuz" mit einer Musikkapelle.

Gleichwohl war auch dieser Platz nicht für alle Zeiten gesichert und sie verschwand von dort wieder, bis sie von einem späteren Besitzer des Hauses Hauptstraße 28 in dessen Garage wiederentdeckt wurde.

Dieser übergab sie 2003 dem "Taunusklub Niederreifenberg" bei dessen 100-Jahr-Feier, der sie später zwecks Ausstellung im Taunushaus an den Hessen­park weitergab. Da die Tafel aber dort wohl nur spo­ra­disch ausgestellt wurde, holte sie der "Taunus­klub Nieder­reifen­berg" wieder zu­rück.

Am 19. November 2023 übergab Siegfried Diehl, der 1. Vorsitzende des "Taunusklub Nieder­rei­fenberg", die 135 Jahre alte Gedenktafel an den "Geschichtsverein Reifenberg". Dieser sicherte zu, sich um die Tafel zu kümmern und sie auch wieder der hiesigen Bevölkerung sichtbar zugänglich zu machen.

00579 Filetdecke Katharina Kleebach
Die vom "Taunusklub Niederreifenberg" über­ge­be­ne Gedenk-
tafel von 1889 im unres­taur­ierten Zu­stand, notdürftig
mit dunkelblauem Filzstift nach­gezogen. [B. Kärtner]

Der Zustand der Tafel war allerdings nicht der Beste. Die Schriftvertiefungen waren not­dür­ftig mit dunkelblauem Filzstift nachgezogen, die Oberfläche eher verwaschen und fleckig.

Winfried Dorn, ein Freund des "Geschichtsverein Reifenberg" aus Oberursel, zögerte keine Se­kunde und übernahm dessen fachgerechte Restaurierung. Das tolle Ergebnis seiner Ar­beit liegt nun vor. Er hat die Platte abgeschliffen und poliert; wodurch die Marmorierung wie­der in alter Schönheit hervorgetreten ist. Den letzten Schliff vollendete ein neuer, fach­gerechter Farbanstrich. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Zwar sind die Spu­ren der Zeit nicht an der Tafel vorbei ge­gang­en, aber durch die Patina, die solche Klein­ode aus­zeichnen, bekam dieses erst das gewisse Flair der Reifenberger Ge­schich­te.

Der Geschichtsverein Reifenberg möchte deshalb sowohl mit der restaurierten Tafel, als auch diesem Artikel die Erinnerung an die Lehrerin Emilie Seipp, aber auch an die Filetstrickerei erinnern und für die Nachwelt wachhalten.

Sowohl die Marmor-Tafel, die Erzeugnisse der Filetindustrie, als auch die dazu verwendeten Werkzeuge, können zu den üblichen Öffnungszeiten im Ortsarchiv des "Geschichtsverein Reifenberg" im Pfarrhaus in Oberreifenberg, Schulstraße 1, in Augenschein genommen werden.

Gedenktafel restauriert


Zusammengestellt: Bernhard Kärtner, Fotos aus dem Archiv des "Geschichtsverein Reifenberg", Korrekturlesen: Susanne Eckermann, Annegard Oetter
Quellen: Karl Breitung, Jahrbuch Hochtaunuskreis 2019, Nr. 27; Beatrice Träger, Geschichte und Geschichten aus der Großgemeinde Schmitten, 1998