Zierleiste v01

Veröffentlicht bei PLE am 01.08.2012


Jaja, unsere geliebte Gemeinde Schmitten. Da wird sie 40 Jahre alt und kein Schwein interessiert's. Oder ? Es ist ja zumindest ein bischen nachvollziehbar, daß die Gemeinde Schmitten den Zwangsbeitritt von Reifenberg vor 40 Jahren am 1.8.1972 nicht feiert.

Aber noch nicht mal die eigene Gründung am 1.4.1972 ? Oder zumindest eine Erwähnung in den Schmittener Nachrichten, die ja angeblich schon im 40. Jahrgang (Hui ... ?!?) existiert ? Ei, warum dann nur ? *grins*

Naja, mer kann sich's schon denke ... Aber schauen wir doch einfach nochmal aus historischer Sicht auf die Sache, was sich vor 40 Jahren und davor zugetragen hatte …

Fräier wor alles schiener ! - Wirklich ?

Die Reifenberger waren sich jahrhundertelang nie so richtig grün. Wann Niederreifenberg als Siedlung gegründet wurde, weiß heute niemand mehr. Vermutlich bildeten sich erste Ansiedlungen im Tal, als man dort die Fischweiher und Mühlen anlegte, um das Tal wirtschaftlich zu nutzen. Das kann im 14./15. Jahrhundert bereits der Fall gewesen sein.

Seitdem sind sich Nieder- und Oberreifenberg nie wirklich richtig einig gewesen. Warum, daß wissen nur unsere Vorfahren. Auch gibt es heute noch immer mal Zwist, siehe Zusammenlegung der Sportvereine, aber im Endeffekt sind sich die meisten heutzutage doch einig.

Erstmalig trennte sich Reifenberg 1848 in die Orte Ober- und Niederreifenberg auf. Damals schrieben die Niederreifenberger noch martialisch von „den Ketten, mit denen uns Oberreifenberg festhielt”. „Im Andenken sei dieser Tag, da unser Joch und unsere Sklaverei aufhört.”. Tja, die Oberreifenberger müssen schon schlimme Sklaventreiber gewesen sein... ;-)

Die Trennung hielt aber keine hundert Jahre. In der NS-Zeit wurden die beiden Reifenberg am 1.4.1939 wieder zwangsweise zusammengelegt zur Gemeinde Reifenberg. Erneut gegen den massiven Protest der Niederreifenberger. Diese beschwerten sich zwar massiv beim Landratsamt, aber ohne Erfolg. Ob Oberreifenberg damals auch protestierte, ist mir nicht bekannt. Die Dörfer nannten sich damals dann Reifenberg-West und Reifenberg-Ost.

Nach dem Krieg trennte man sich aber sofort wieder gütlich und so folgte am 22. Februar 1955 feierlich die erneute Aufspaltung der beiden Gemeinden.

Niederreifenberg feierte übrigens 1950 eine eigene 1000-Jahr-Feier. Mich würde sehr interessieren, auf welcher historischen Grundlage das passierte. Der Denkmalstein ist heute noch am Kriegerdenkmal zu bewundern. „1000 Jahrfeier Niederreifenberg – 950 bis 1950”.

Schon skuril manchmal, unser Reifenberger Völkchen ...

Das Damokles-Schwert

Doch nur ein paar Jahre später tauchte am Horizont ein noch schlimmeres Damoklesschwert über den beiden Gemeinden auf: die Gebietsreform Hessens, anfangs der 70er Jahre.

Seit 1918 gehörten sowohl Ober- als auch Niederreifenberg zum „Hilfskreis Königstein” und dieser wiederum zum Main-Taunus-Kreis. Zuvor war man in Kreis Usingen organisiert gewesen.

Man hatte damals sogar noch Kennzeichen „FH” !

Schmitten, Arnoldshain und auch andere Hochtaunusdörfer gehörten damals zum Landkreis Usingen, der zum Hochtaunuskreis kommen sollte.

Vermutlich war zu dieser Zeit für die gerade mal wieder getrennten Gemeinden absehbar, dass man Ober- und Niederreifenberg zum Hochtaunuskreis zuschlagen würde. Dies schien den Reifenbergern nicht sooo wirklich zu gefallen. In dem zur Mainmetropole hin gelegenen Gemeinden und dem MTK erhoffte man sich einen bessere und stabilere Zukunft, während man im Usinger Land Hinterwäldlerei und Abschwung sah.

Da der Feind meines Feindes ja mein Freund ist, bildete man am 31.12.1971 konsequenterweise wieder eine gemeinsame Gemeinde Reifenberg. Damaliger Bürgermeister war Erwin Müller. Dieser sagte u.a. im Höchster Kreisblatt am 4.6.1972:

"Eine Zusammenlegung unserer Gemeinde mit den Weiltalgemeinden würden unsere Bürger als unbedingten Rückschritt werten. Ein solcher Zusammenschluß dient nicht dem Wohl dieser Gemeinde und seiner Bürger."

Der Mann hatte Weitblick. Wie man aus u.a. Artikel entnehmen kann, ging es -entgegen einiger jüngerer Beteuerungen aus dem Weiltal- der Gemeinde Reifenberg damals finanziell ziemlich gut. Die Niederreifenberger Industrie und auch der Fremdenverkehr in Oberreifenberg florierte. Reifenberg war finanziell die zweitstärkste Gemeinde unter 2000 Einwohnern im MTK und wenn man die Städte hinzurechnete, immer noch die viertstärkste Gemeinde des MTK. Angeblich damals eingebrachte massive Schulden in die Gemeinde Schmitten und schlechte finanzielle Lage gehören daher eher in die Ecke der Märchen und haben vermutlich eher die Absicht mit Halbwahrheiten zu diskreditieren.

Aber bereits im Februar 1972 war klar, dass es seitens der hessischen Landesregierung weitere Zusammenlegungen geben würde, die auch Reifenberg betreffen sollten.

Am 1.4.1972 wurde Schmitten mit Brombach, Hunoldstal und Seelenberg zur "kleinen" Großgemeinde Schmitten zusammengelegt.

Alles Streben der Reifenberger und auch des Main-Taunus-Kreises (!) gegen die Eingemeindung nutzte nichts, man wurde am 1.8.1972 auf Grundlage eines neuen Gesetzes und mit finanziellem Druck gegen den mehrheitlichen Willen der Reifenberger Bevölkerung mit der Gemeinde Schmitten zwangsverheiratet und ist es, zum Leidwesen vieler Reifenberger, auch heute noch, weils für Gemeinden ja bisher kein Scheidungsrecht gibt.

Der größte Unsinn - "Gemeinde Weilspringe"

Aber die Sache hätte noch schlimmer ausgehen können. Irgendein „Held” wollte sich wohl ein Denkmal setzen und der neuen Gemeinde den Namen „Weilspringe” verpassen. Wer und wie man auf diesen völlig (sorry !) unsinnigen Namen kam, würde uns schon sehr interessieren. Vielleicht meinte der Herr (oder die Dame ?) „Weilquelle” ?

Mer werns wohl net mehr erausfinne. Wir nehmen mal an bzw. hoffen gerade zu, dass es zumindest kein Reifenberger gewesen ist! ;-)

Der neue Gemeindename stieß aber -gottlob- auf breite Ablehnung in der gesamten Bevölkerung.

Es existierten aber noch weitere Vorschläge:

  • „Gemeinde Arnoldshain” … wäre ja wohl auch nicht schlecht, dachten sich einige Arnoldshainer.
  • „Gemeinde Hattstein” … klingt gut und wäre auch neutral gewesen ... zumindest damals. Heute ist der Name ja aufgrund diverser „Gönner” und „Akteure” eines gewissen Vereins etwas weniger gut angesehen, zumindest in Reifenberg.

Den Vorschlag "Gemeinde Reifenberg" gab es damals wohl nicht. Naja, wir sind halt sehr zurückhaltend. ;-)

Eine Umfrage der SPD ergab damals übrigens einen überwiegende Mehrheit (52%) für den Namen "Gemeinde Hattstein". Wohl fast alle Arnoldshainer (15%) stimmten für „ihren” Gemeinde-Namen und immerhin 30% für Gemeinde Schmitten.

Neutraler Name ? - Bei uss doch nitt !

Die Gemeinde Weilrod hatte es uns damals ja vorgemacht. (Schon mal aufgefallen ? -> Den Ort Weilrod gibt’s nicht !) Aber, so wie es heute öfters ist, zählten auch damals demokratische Meinungen leider oft nicht allzu viel und man entschied sich dann aus unbekannten Gründen doch für „Gemeinde Schmitten”. Die Schmiede-Industrie würde ja sowohl Schmitten als auch Reifenberg repräsentieren ... aaaaahja.

Verstehen muss man das jetzt aber nicht, oder doch ?!? Gehörte damals nicht die Wald-Schmiede zu Hattstein respektive Reifenberg ? Naja, wie auch immer.

Wir nehmen mal an, dass sich damals einflussreiche Schmittener sich beim Landrat durchsetzen konnten. Mir würde dazu auch spontan auch was einfallen ... aber lassen wir mal lieber Spekulationen. ;-)

Heute, 40 Jahre danach, sind wir genauso weit wie damals.

Ortsbeiräte werden trotz demokratischer Legitimierung verweigert und zerredet von Schmittener und Arnoldshainer Lobbyisten. Wer sowas fordert sei ein „ewig Gestriger”. Naja, ist ja auch heutzutage unredlich, ein demokratisches Recht einzufordern.

Bereits gutgeheißene Sportplatzkonzepte werden auf einmal abgelehnt, verzögert, sabotiert und Reifenberger, die ihre Meinung vertreten, sind dann Erpresser. Man kann ja schon fast froh sein, dass man nicht sogar als Terrorist bezeichnet wird, nur weil man seinen Mund aufmacht.

Feinde meines Feindes ?

Vermutlich werden wir aber in den nächsten Jahren weitere Zusammenlegungen von Orten und Gemeinden erleben. Bürgermeister Kinkel hat da vor einiger Zeit bei einigen Betrachtungen der Zukunft sicher nicht unrecht, auch wenn man sie nicht unbedingt gut finden muss. Geld regiert nun mal die Welt und den Kommunen fehlts daran immer mehr, also muss und wird (!) auch gespart werden. Auch wenn schon bewiesen ist, dass interkommunale Zusammenarbeit, z.B. beim Straßenbau, trotz noch so viel Schönrederei keinen Schuss Pulver taugt, gemacht wird’s wohl sicher trotzdem weiterhin. Experte im Löcher-stopfen wird die Gemeinde Schmitten aber wohl dennoch eher nie.

Vielleicht führt die maue Finanzlage der Gemeinden aber irgendwann dazu, dass sich Reifenberger, Schmittener sowie Arnoldshainer zukünftig (noch) besser verstehen, wie es auch damals bei den Reifenbergern der Fall gewesen ist. Denn es gilt das gleiche wie 1971/1972, wenn wieder eine Gebietsreform droht: der Feind meines Feindes, ist mein Freund. Gell ?! :-)

Und wer weiß, was da noch so alles auf uns zukommt... Den Reifenbergern sind ja die Usinger nicht so wirklich geheuer. Aber wie es sich auch bei der Kirche zuletzt wieder gezeigt hat: zählen tut das in der Praxis recht wenig und vielleicht werden Reifenberger, Schmittener und Arnoldshainer ja mal irgendwann gemeinsam Dreckkarren vor die Gemeinde Usingen oder Weilrod werfen und dann richtig gute Freunde ?

Wie auch immer: meinen herzlichen Glückwunsch an die Gemeinde Schmitten, vor allem daß sie uns Reifenberger seit 40 Jahren hat ! Keine Bange, wir bleiben Euch treu. Wir haben ja eh keine Wahl. :-)

Das Demo-Banner des Taunusklubs gegen den Namen Weilspringe könnte übrigens Vorbild für Erich Honecker gewesen sein, als es 1972 schon bei uns hieß:

Reifenberg immer – Weilspringe nimmer”.

Und wenn uns Reifenbergern schon keiner gratuliert, dann machen wir das halt eben einfach selbst. ;-)

In diesem Sinne alles Gute zum 40jährigen, ihr Reifebeerjer !
Bleibt so wie ihr seid !

Euer Philu

P.S.: man möge mir das Polarisieren in diesem kleinen Beitrag verzeihen. Ich zieh halt so gern über se her. :-)) Aber im Endeffekt verstehen wir uns eigentlich heute schon besser als früher. Und das ist auch gut so. Aber frozzeln muß halt erlaubt sein, auch für Annezaaner und Schmidder und die machen das ja auch regelmäßig ! ;-)


Text: schilleebrud - Bilder: sette, Ursula Großmann


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