Zierleiste v01

Veröffentlicht bei PLE am 19.10.2011 als "Ein halbwegs gelöstes Mysterium"


Bei der Recherche zur NS-Doku sind wir neulich über ein "kleines" Mysterium gestolpert. In einem Zeitungsbereicht der Taunuszeitung aus dem Jahre 1995 wurden für Niederreifenberg vier Bomben-Opfer angegeben. In Eckunkels Tagebuch und auch der Pfarrchronik war aber immer nur von drei Opfern die Rede.

Sieht man sich die noch bestehenden Ehrengräber in Niederreifenberg an, findet man ein Gemeinschaftsgrab, in dem folgende Personen begraben sind:

  • Ursula von Reventloh
  • Ernst Brendemühl und
  • Alfred Trocha

Wir nahmen natürlich zuerst alle an, daß es zusammen mit der Niederreifenbergerin Maria Hecker insgesamt tatsächlich 4 Tote bei dem Bombenangriff gegeben hat.

Aber warum war dann in mehreren Quellen immer nur drei Tote erwähnt ?

Weitere Verwirrung stifteten Bilder von einer Beerdigungsfeier in Niederreifenberg an der alten Schule. Dort war in einer riesigen Versammlung unter Nazi-Beflaggung eine Beerdigungszeremonie zu sehen, bei der drei Särge aufgebahrt waren. Sollten es wirklich nur drei Tote gegeben haben ?

BeerdigungOder war die Beerdigungszeremonie vielleicht auch gar nicht die der Bombenopfer ? Ein Zeitungsbericht schien dies etwas zu untermauern, denn 1943 war dort von einer Beerdigungszeremonie der Opfer des Flugzeugabsturzes in den Feldbergturm die Rede, der im Schulhof der alten Schule stattgefunden hat. (Das Unglück geschah am 2.12.1943)

Einige Zeit später erhielten wir dann aber von Reinhold Hammer das folgende Bild unten rechts:

Es zeigt die frisch beerdigte Ursula von Reventloh neben Maria Hecker und einem Obergefreiten "Christian Dölp", der auf dem linken Kreuz als "dem Fliegerangriff zum Opfer" angeführt war. Diese Drei Personen waren also am 22. Februar 1945 gestorben.

Hier war nun eigentlich der Beweis, daß es nur drei Opfer gegeben hatte und nicht vier. Oder doch nicht ?

nrko-1945-2-22-rh-bombenangriff drei toteEine Sache machte uns jetzt nämlich immer noch stutzig:

Wer waren dann die Soldaten Brendemühl und Trocha, die heute neben Ursula von Reventloh beerdigt waren ?

Hatte es hier eine Verwechslung gegeben ?

Wir konnten uns die Zusammenhänge vorerst nicht erklären. Irgendetwas mußte also nach der Beerdigung passiert sein.

Mehr durch einen Zufall fanden wir nach einigen Wochen des Rätsels Lösung.

Bei einer Recherche der Sterbebücher des Standesamtes suchten wir -zur weiteren Bestätigung oder Lösung der Sache- nach den Opfern des Bombenangriffs. Wir fanden am 22.2.1945 aber nur die Einträge für Maria Hecker und Ursula von Reventloh. Christian Dölp war gar nicht verzeichnet.

Ein paar Seiten weiter im Sterbebuch fanden wir dann aber drei Namen von Soldaten, die alle am 1. April 1945 "bei Kriegshandlungen" gestorben sein sollten. Gemeldet wurde deren Tod durch die Reifenberger Ortspolizeibehörde.

Die Namen waren:

  • Alfred Trocha (*1904 in Aken)
  • Alfred Trützel (*1904 in Rudendorf)
  • Ernst Brendemühl (*1906 in Zirkwitz)

Zwei der Namen kannten wir natürlich. Das Datum machte uns hierbei aber erneut stutzig. Auf dem Ehrengrab war das genaue Todesdatum nicht angegeben, sondern nur das Todesjahr 1945.

Fakt war, daß von Reventloh mit Brendemühl und Trocha beerdigt, aber an unterschiedlichen Tagen gestorben waren.

Da fiel uns ein, daß in einem weiteren Bericht von 1995 aus der Taunuszeitung folgendes erwähnt ist:

"Als Vergeltung für drei getötete GI's, die man in Oberreifenberg fand, wurden drei Deutsche unterhalb des Roten Kreuzes erschossen."

Bisher war Herta Sturms Schilderung von 1995 die einzige die ich davon gehört hatte. Niemand konnte uns etwas dazu sagen. Beweise dafür gab es schon gar keine mehr, nach so langer Zeit.

Sollten die Drei vom 1. April '45 etwa die erschossenen 3 Soldaten sein ?

NRKO-194x-xx-xx-HW-Alfred Trocha kleinIch versuchte also herauszufinden, ob es noch Nachfahren gab und siehe da: durch das Tool Geogen (ein Tool mit dem man die Verteilung seines Nachnamens über Deutschland sehen kann), konnten wir herausfinden, daß der Name "Trützel" in ganz Deutschland nur 2x vorkommt: beide im Landkreis Haßberge, wo auch Rudendorf (der Geburtsort von Trützel) liegt !

Ein Anruf bei einer der dort lebenden Familien und auch bei dem noch lebenden Sohn Trützels bestätigte uns die Vermutung:

Alfred Trützel war -vermutlich neben Brendemühl und Trocha- einer von drei ermordeten Deutschen Kriegsgefangengen. Offenbar wurden wirklich als Vergeltung für 3 Tote GI's in Oberreifenberg aus einer Reihe von ca. 15 bis 18 deutschen Kriegs-Gefangenen Drei Soldaten scheinbar völlig willkürlich ausgesucht und hingerichtet.

Über die genaueren Umstände des Todes der 3 GI's, der Erschießung der 3 Deutschen Soldaten und der genauen Orte sind bisher weiter nichts bekannt. Gerüchten zufolge soll gesehen worden sein, wie die Deutschen Gefangengen mit einem Jeep in den Wald hinauf gefahren worden sind. Der Jeep kam dann ohne die Drei Soldaten zurück.

Trützel und die anderen beiden Opfer wurden in Niederreifenberg beerdigt, von seiner Familie jedoch einige Zeit später nach Rudendorf überführt und dann dort beerdigt.

Gleiches muß wohl mit Christian Dölp passiert sein, der bei dem Bombenangriff ums Leben kam.

Später wurden dann wohl die Gräber von Ursula von Reventloh, Ernst Brendemühl und Alfred Trocha zusammengelegt. Durch das Weglassen des Sterbedatums wurde die Sache leider -vermutlich unabsichtlich- weniger nachvollziehbar gemacht.

Die Erschießung der 3 Deutschen Soldaten mag aufgrund der hohen Verluste der Amerikaner in Schmitten und der aufgefundenen 3 GI's in Oberreifenberg ein wenig nachvollziehbar sein. Nichts destotrotz war dies ein Kriegsverbrechen, entgegen der Genfer Konventionen, welches vermutlich nie gesühnt wurde. Die Verantworlichen sind aber vermutlich sowieso bereits lange tot.

Es ist allerdings relativ abwegig, daß nicht mehr Leute als damals Herta Sturm von dem Vorfall wußten oder heute noch wissen. Die Sache muß damals in ALLER MÜNDER gewesen sein. Daher hier auch nochmal der Aufruf: wer weitere Informationen zu der Sache hat, möge sich bitte dringend bei uns melden.


Bilder: Grabstein von sette, Beerdigung von bewere, Kreuze von Reinhold Hammer