Zierleiste v01

Veröffentlicht bei PLE am 03.04.2018


So schön sie auch gewesen sein mag: die 1000 Jahr-Feiern in Ober- und auch Niederreifenberg sind historisch nicht nur auf dünnem Eis gebaut worden, sondern geschichtlich eigentlich völlige Makulatur. Über die Gründe eine solche Feier 1950 durchzuführen mag man spekulieren, denn die Schöpfer dieser Feier hätten es besser wissen müssen. Vermutlich basierten sie auf Fantasie-Konstrukten des 16. oder 17. Jahrhunderts. Aber die Feier selbst wurde sicherlich nicht 1950 oder kurz davor erst entwickelt. Denn bereits in den 30er Jahren plante man in Reifenberg eine 1000-Jahr-Feier. In der Taunuszeitung vom 13.11.1933 findet man folgenden Artikel:

"Oberreifenberg i.Ts. - Zur Tausendjahrfeier der Gemeinde, die im nächsten Jahr stattfinden soll, werden schon einige Vorbereitungen getroffen. Eine gemeinsame Festschrift behandelt die Geschichte der beiden Gemeinden Ober und Nieder Reifenberg, ferner wird ein Festspiel geschichtliche Ereignisse zur Darstellung bringen. Der frühere Bürgermeister Beuth ist mit der Abfassung eines zweibändigen Werks über Reifenbergs Vergangenheit beschäftigt, die teilweise in Reifenberger Mundart geschrieben wird."

Wie wir heute wissen, ist dieses zweibändige Werk vom ehemaligen Bürgermeister Beuth, der geschichtlich durchaus bewandert war, nie erschienen. Auch hat die erste Tausendjahr-Feier 1934 nie stattgefunden und das aus gutem Grund.
Die zweite Feier hingegen schon, im Jahr 1950. Aber auf was genau berief diese sich?

Selbst heute beruft man sich immer noch oft offiziell auf das 1578 erschienene Ritterturnier-Buch "ThurnierBuch. Von Anfang, Vrsachen, vrsprung, vnd herkommen der Thurnier im heyligen Römischen Reich Teutscher Nation.", welches folgenden Eintrag für das zweite Turnier im Jahre 942 in Rothenburg unter der Rubrik der "Ritter vom Rheinstrom" nennt:

"Engelharden von Reiffenberg".

Dieser Engelhard wurde auch später zunächst von Historikern übernommen. Sowohl ein hauseigene Historiker des Hauses Reiffenberg zu Sayn ( Johann Philipp von Reiffenberg, 1645 - 1722 ), als auch der bekannte Genealoge Humbracht ( 1654 - 1714 ), scheuten sich nicht diesen Engelhard kritiklos zu übernehmen. Humbracht schrieb damals vermutlich teilweise auch von Reifenberg ab, der damals als Historiker durchaus deutschlandweit anerkannt war. Ersterer hatte allerdings durchaus ein Interesse daran, einen besseren Stammbaum vorzuweisen, denn er stritt vor Gericht bis kurz vor seinem Tod um das Erbe des Philipp Ludwig von Reifenberg für die westerwälder/weller Linie gegen die Bassenheimer. Es sei bemerkt: erfolglos, er zog seine Klage schließlich kurz vor seinem Tod zurück.

Die ersten 14 Kapitel des Ritterturnierbuches von Georg Rüxner gelten heute als frei erfunden. Mit dabei ist also im zweiten Kapitel auch hier -nachweislich- unser Engelhard. Damit sind die Genealogien von Reiffenberg/Humbracht ohne nachvollziehbare Belege aus historischer Sicht grundsätzlich in Zweifel zu ziehen.

Allerdings nennt das Festheft der 1000-Jahr-Feier auch noch andere Daten. So soll bereits absurderweise 932 bereits die Burg Reifenberg gestanden haben. Und der Bardo-Urkunde 1043 schreibt man dreist einem "Hartmann" einfach ein "von Reiffenberg" zu, ohne das der Name dort genannt oder der Besitz dort überhaupt angedeutet wird, denn dem Hartmann wird der Besitz östlich von der Grenze angedeutet. Aufgrund der Forschungslage können wir relativ sicher davon ausgehen, dass dieser Hartmann der Familie der Niddagau-Grafen (sog. Hartmannen) und dem Gericht zu Stulen (Gerichtssitz in Oberursel) zuzuordnen ist und der -aus meiner Sicht- zu der Familie der von Büdingen zu zählen ist. Denn unser Gebiet selbst gehörte schon seit Erzbischof Willigis bis Anfangs des 13. Jahrhunderts zu Mainz.

Alle Ursprungs-Daten und Namen aus dem Heft werden teils bei Johann Philipp von Reifenberg, aber auch teils bei Humbracht genannt. Vermutlich wurden sie von dort abgeschrieben. Keine der Daten hält auch nur dem Hauch einer wissenschaftlichen Überprüfung stand, Quellen dazu existieren nicht und auch keine seriösen Abschriften.

Beschäftigt man sich ein wenig mit der wirklichen Urkundenlage und der geschichtlichen Entwicklung, wird einem sehr schnell klar, wie unsinnig diese Daten alle wirklich sind. Fakt ist einzig und allein: die erste zuverlässige urkundliche Erwähnung des Namens Reifenberg ("Rifinburg") datiert auf den Zeitraum zwischen 1215 und 1222 und dokumentiert aus Sicht des St. Stephan Stiftes in Mainz, dass der hattsteinisch/reifenbergische Kaplan dem Stift die Kirchengelder entfremdet. Selbst bei gutem Willen wäre die Entstehung einer Burg Reiffenberg daher sicherlich nicht vor 1180 zu datieren.

Das Gute daran ist: in 200 Jahren kann man erneut eine tolle 1000-Jahr-Feier durchführen! Oder wir feiern in vier Jahren 1222 erst mal wieder ein 800-Jahr-Feier - das wäre mir persönlich lieber.