Zierleiste v01

Veröffentlicht bei PLE am 13.11.2015


Ich glaube es muss gegen 1978 gewesen sein, als ich bei einer Veranstaltung des Geschichtsverein Hochtaunus an der Burg war. Wolfgang Meister machte eine Führung, sprach auch von einem angeblichen Geheimgang, den es gegeben haben soll. An die Gulaschkanone in der Pulverkammer erinnere ich mich noch, als wäre es gestern gewesen. Der angebliche Geheimgang hat mich damals als Kind schon total fasziniert, wie auch jeden anderen Jungen in meinem Alter. Mal hieß es, der Geheimgang sei vom runden Turm im Keller nach Hattstein gegangen. Aber das war alles pure Spekulation. In den letzten Jahren hatte man den Gedanken eher verworfen, dass es überhaupt jemals einen Geheimgang gegeben hätte und schon gar nicht nach Hattstein. Unter dem runden Turm schien nie etwas gewesen zu sein. Soweit so gut.

In den letzten Jahren haben mich immer die über 20 Jahre anhaltenden Angriffe der Weller (Westerwälder) gegen die ansässigen Wetterauer interessiert. Deshalb haben wir angefangen archivalisches Material zu sammeln, die Abläufe dieser Kriege angeschaut und beschlossen diese zu beforschen. 1580 griff Friedrich von Reiffenberg die Burg Reifenberg erstmalig an, während die beiden Söhne Philipp und Eberhard der Witwe Margarete von Reiffenberg (geborene von Hutten) auf der Hochzeit ihrer Schwester Anna waren. Als Eberhard von Reiffenberg von der Hochzeit nach Hause eilte, wurde er dort angeschossen und schwer verletzt. Er starb kurze Zeit darauf. Ein schwarzer Tag in der Geschichte der von Reiffenberg.

Bisher stellten sich die Angriffe der Weller in der Geschichtsschreibung als einseitige und unberechtigte Angriffe dar. Da meistens 2 zum Streit gehören, wollte ich beide Seiten "sehen". Es gibt umfangreiches Gerichtsmaterial und Briefe über diese Angriffe im Staatsarchiv. Tausende Seiten dokumentieren nicht nur langweilige Anwaltsschreiben, sondern eben auch einen sehr interessanten Teil der Geschichte. Die Streitigkeiten gingen im Prinzip sogar über Philipp Ludwigs Tod hinaus.

Die ersten Unterlagen, die ich und Sette in Wiesbaden sichteten, zeigten plötzlich ein anderes Bild. Wir fanden einen Drohbrief der Wetterauer an die Weller aus dem Jahre 1578, also 2 Jahre zuvor! Dieser war unterzeichnet von genau diesem später erschossenen Eberhard von Reiffenberg und -was mich sehr überraschte- vom damaligen Pfarrer Nikolaus Karter, den ich zu dieser Zeit noch nicht mal in Reifenberg vermutete. Karter war später bei Hans Heinrich von Reiffenberg in Ungnade gefallen.

1629 schrieb Hans Dietrich von Reiffenberg, ein Weller Verwandter des Friedrich von Reiffenberg, einen Forderungskatalog, wo die Schäden der vergangenen 30 Jahre von den Wetterauern an dem Besitz der Weller wieder gut gemacht werden sollten. Georg Hans von Reiffenberg hatte gegen vor und nach 1600 versucht die Burg und einige zu Reifenberg gehörige Dörfer dauerhaft einzunehmen. Das alles endete in einem Vergleich, den seine Schwiegertochter Emerentia im Jahre 1658 mit Philipp Ludwig abschloss. In diesem Forderungskatalog von Hans Dietrich befinden sich folgende Zeilen unter Punkt 41:

"Vber solches alles seindt herrn Gegentheil noch
ferner schuldig, die beÿ dem 1. vnnd 2. so wohl
auch beÿ dem 3. vnndt 4 posten angezogene de=
struirte vnndt ruinirte gebewe behausungen
auch Stelle vnndt Schewern, vf dero alleinigen
Costen wiederumb zu repariren, vf zu richten, auch
repective die verbawte gemeine plätz freÿ zu
machen, vnnd solcher gestalt alles in vorigen Standt,
wie es zu Zeit dero that mässigen occupation
gewesen, allerdings zu restutiren, wie wenigers
nit das Jenige, so an der Vestung deren mawern
Wall vnndt Pasteÿen auch Cassamaden vnndt
heimblichen ausgängen verfallen, vnnd in abgangk
getrieben, wiederumb zu verbeßern, auch in sonder=
heit den allgemeinen gangk vf erst gedachte
Mauern Wall vnnd Pasteÿen wieder vfzurichten,
dargegen den newen gangk abzuschaffen,
vnnd das newe gemewere so theils mit großer
last, als die Fundamenta ertragen mögen, vber=
laden, abzutragen"

Was wir also über Jahrzehnte nur vermuteten und eigentlich schon abgeschrieben hatten, haben wir nun mit schriftlicher Gewissheit ! 38 Jahren nach dieser Führung weiß ich nun: es gab nicht "den Geheimgang", es gab offensichtlich sogar mehrere Geheimgänge, die damals schon zerfallen waren ! Wo diese Gänge endeten, weiß man nicht. Vielleicht in den Aussenmauern, vielleicht auch weiter draussen. Die Erfolgsaussichten sie zu finden, sind weiterhin extrem gering. Denn was die vergangenen 40 oder mehr Jahre nicht gefunden wurde, wird man jetzt auch nicht mehr finden.

Ich kann hier schon versprechen, wir werden von den Wellern in Zukunft noch mehr hier bei PLE lesen. Alleine der 14-seitige Forderungskatalog enthält sehr viele spannende Neuigkeiten. Die mehreren tausend Seiten noch mit Sicherheit viel, viel mehr.

Ich möchte an dieser Stelle alle Raubgräber und Sondengänger warnen: alle PLE'ler und Freunde der Burg werden ohne Ausnahme jeden fotografieren und anzeigen, den wir vorne an der Burg graben oder mit Sonde herumgehen sehen !

Euer Philu