Zierleiste v01

Veröffentlicht vom PFORA bei PLE am: 19.08.2022


Feuer! Aufmerksam? Nicht zu Unrecht empfiehlt man heute noch in dringenden Situationen nicht um "Hilfe", sondern "Feuer" zu rufen. Mit dem Ruf hat man sofort die Aufmerksamkeit (und auch eher Hilfe), die man gerne haben möchte.

Das Thema Feuer ist (leider) aktueller denn je. Nur Dank unserer hervorragend organisierten Feuerwehren und deren geradezu unglaublichem Engagement haben wir in den letzten Jahren keine größeren Katastrophen erleben müssen. Hoffen wir alle, dass es so bleibt.

Wie der Zufall es wollte, entdeckten wir neulich in unserem Lesekurs in einem Rentamtsbericht der Herrschaft Reifenberg die Beschreibung eines Brandes in Arnoldshain aus dem Jahre 1787. Wir waren sofort "Feuer und Flamme" und Dank Regina Walleschs Transkription können wir hier nachlesen, was vor 235 Jahren ein Feuer in Arnoldshain bedeutete und wie man damit umging. Dem Bericht ist eine Originalzeichnung des brennenden Hauses beigelegt, die im Text auch erwähnt und hier abgebildet wird. Beispielhaft unten links auch die erste Seite des transkribierten Berichts.



Skizze des Schultheis Dinges
aus dem Jahre 1787

Actum Reifenberg den 2ten december 1787.

Vorgestern freitags, den 30ten november, mittags kurtz vor 12 uhr, ist in Georg Fridrich Müllers wittiben1 behaußung zu Arnoldshein ein brand entstanden. Im unteren stock wohnet Johannes Marx der jüngere, im oberen stock besagte wittib. Der speicher ist unter beiden gemeinschaftlich. Neben und wider diesem bau ist des Johann Conrad Petri hofrait. Bei diesem wohnet sein bruder Johann Henrich Petri im oberen stock im zins. Über diese beide häußer gehet das dach durch aus.

Ungefehr 6 oder 7 schuhe weit von des Johann Conrad Petri hausgiebel stehet dessen scheuer mit unausgetroschenen früchten und futter hoch voll gelegt. Neben und wider dieser scheuer wohnet Peter Nollstatt. Die ursach des entstandenen brands nun ist folgende:

Georg Fridrich Müllers wittib hat in ihrer stuben beim ofen hanft gedürret. Sämtliche hausgenoßen waren in der unteren stuben bei dem Johannes Marx. Als nun derselben sohn hinaufgangen und in die stuben tretten wolte, schlug ihme die flamm entgegen, welcher thür und fenster aufgerissen. Hierdurch hat die flamm unten an den dachlaist das strohedach ergriffen, und ist das ganze dach von beiden aneinander stehenden Wohnhäußern also in die asche gelegt worden, daß dachstühl, potten2 und sparn verbrant sind. Die 4 wohnungen aber in den oberen und unteren stöck sind unverletzt geblieben, nur daß die böden durch das wasserschütten verweichet sind.

Die mobilien stücke, sogahr der in der stuben gelegene zusammengebundene übrige hanft sind alle glücklich heraus gebracht worden, nur hat das feuer dem Johann Henrich Petri 13 mesten saath und etwas korn auf seinem speicher verzehrt. Des Johannes Marxen und der Müllerischen wittib ihr auf ihrem speicher gelegenes futter ist meistentheils erhalten worden. Nur der Wittib ihr strohe ist zu isselen3 geworden, welche samt dem strohedach weit und breit in der luft herum gepflogen.

Bei allemdem ist die daran stehende scheuer, weilen sie ein ziegeldach hat, und auch sonst kein wind wehete, gantz unbeschädiget geblieben.

Die Arnoldsheiner und Schmitter haben die wuth des feuers innerhalb einer stund alleinig gestillet, worzu das im ort angelegete neue weierge trefliche diensten geleistet hat, von welchem bis an das haus, um wasser zu reichen, 2 reihe leut gestelt worden sind. Als die Reifenberger und Seelenberger kamen, ware das feuer schon gelöscht. Die Anspacher und übrige angräntzer sind auch auf dem platz nachher erschienen. Die Wehrheimer aber sind mit ihrer feuer spritz unterwegs wieder umgewendet worden.

Übermorgen den 4ten dieses wird denen verbrannten das benöthtige holtz zum dachwerck aus verordnung des schultheis Wagners durch den schmitter jäger in der gemeinen rauhen heck angewiesen, um ihre haüßer bei zeiten wieder beziehen zu können.

Schultheis Wagner meldete hiernächst: die durch den brand verunglückte(n) mögten gerne einen collecten brief haben, um in der nachbahrschaft sich etwas sammlen zu dörfen, womit sie die baukosten bestreiten, strohe erkaufen, und besonders die Arbeitsleute, welche auf ihren taglohn schauen, bezahlen können.

Hiernächst lege den von schultheis Dinges über diesen brand gefertigten abriß bei.

Erharre in schuldigster hochachtung

              Ewer hochedelgebohrenen

                               ergebenster Dr.
                               P(eter) Nollstatt Nota(r)?

1 Wittib: Witwe
2 Potten: vielleicht der Dachboden?
3 Isselen: Als "Issel" oder auch "Ussel" bezeichnete man früher in der Wetterau die aus einem Stroh- oder Reisigbrand hervorstiebenden Funkenmassen.


Einleitung: Bernhard Kärtner, Transkription: Regina Wallesch, Quelle: Hessisches Landesarchiv Wiesbaden Abt. 333 Nr. 1414 "Renteiberichte 1762 bis 1793"